Nach einem Tag Vorbereitungsstress mit musikalisch ausgestatteten USB-Sticks, Verarbeiten von Packlisten, verarzten von Mitbewohnern und deren zeitlich unpassenden Verletzungen und definitiv weniger als 5 Stunden Schlaf klingelt der Wecker als Auftakt zu der weitesten Reise die ich jemals mit dem Auto angetreten bin: Wir fahren in die Heimat des mittlerweile gouverneurhaft entfremdeten Terminators, oder kurz: Österreich.
Müde, mit koffeinhaltigen Getränken, ein paar Broten und einem Navi mit 3 Jahre alten Karten ausgestattet und mit der Erkenntnis, dass ich mehr Gepäck als alle anderen zusammen habe (und wir sind zu sechst) starten wir unser Abenteuer. Vor uns liegen mindestens 1070km Fahrt, keine Übernachtungsmöglichkeit und Stau bzw. Rush-our-Vorraussagen von verkehrserfahrenen Bekannten.
Der Tank ist voll. Und solange das der Fall ist kommen wir gut vorran. Kein Stau in Sicht, brauchbares Wetter, Koffein und laute Musik helfen uns beim Start in den Tag, von dem zumindest ich erwartete, dass er recht eintönig wird. Dann irgendwann ist der Tank auf Reserve, seltsamerweise wesentlich schneller als erwartet. Normalerweise ist das für einen erfahreren Autofahrer kein Problem – mit einem Unterschied: Wir brauchen Autogas, auch als LPG bekannt. Ich stellte sachlich fest: Wir fahren keine Strecke auf denen mir LPG-Tankstellen bekannt sind. Trotzdem entdecken wir ein LPG Schild bei einer Autobahntankstelle und halten dort.
Auf den ersten Blick traue ich meinen Augen fast nicht: An der Zapfsäule nebenan steht mein erstes Argument gegen Klischee-Hasser: Gelber Ferrari, Typ mit Sonnenbrille und rosa Hemd lässig daran angelehnt. Halbwegs amüsiert und abgelenkt begebe ich mich zum Zapfhahn und amüsiere mich mit meinem Mitfahrer für den Ferrari-Typen. Dann die Herausforderung: Dort stehen zwei LPG-Säulen, jeweils mit sich durch wenige Buchstaben unterscheidenden Abkürzungen für Irgendwas versehen. Im Tankdeckel steht nur der übliche Benzin-Hinweis. Schließlich teilt mir mein Mitfahrer mit, dass wohl beide Säulen außer Betrieb sind. Wir bemerken die Schlösser, die die Zapfhähne fixieren und das „DEFEKT“-Schild.
Etwas irritiert fahren wir weiter, zur nächsten Tankstelle – uns ist immernoch nicht klar, wie man zuverlässig eine Tankstelle erkennt, die Autogas anbietet. Endlich (es war eine längere Distanz und ein Autobahnwechsel dazwischen) steuern wir die nächste Tankstelle an. Ernüchterndes Ergebnis: Nichts mit Gas. Also weiterfahren. Und dann entdecken wir es: Unter den Tankstellen-Schildern sind weiße Kästchen, in machen davon steht groß LPG, als offensichtlich handfester Hinweis, dass man hier fündig werden wird. Beim Halt an der Zapfsäule erwartet mich direkt das nächste Abenteuer: Anderes Land – Andere Anschlüsse. Gut dass es diese Adapter-Tüte in der Beifahrertür gibt. Unser Zapfsäulen-Exemplar hatte an der Zapfsäule keinen Drehverschluss, sondern einen der sich in eine Runde Form von innen hereinklammert, mechanisch schwer zu beschreiben und auch ähnlich schwer zu betätigen. Der Generalschraubadapter von Tankdeckelminigewinde auf Normalradius zusammengeschraubt mit Adapter 2 von Normalradius auf große Innenmuffe für Innenhebelzapfhähne schien uns die optimale Kombination, entwickelte aber ein derart großes Gewicht, dass mein Mitfahrer den eingerasteten Zapfhahn festhalten musste, weil dieser enorm wackelte. Allerdings hat sich dieses Konstrukt als stabil und über alle Maße abgedichtet herausgestellt, sodass wir dann doch noch tanken konnten. Zum Tanken muss man übrigens über den ganzen Vorgang hinweg eine Taste gedrückt halten. Lässt man diese los wird die Säule gesperrt – Konzentration ist also angesagt und tanken mit nur einer Person wäre eine Mutprobe. Aber dann geht es weiter, es liegen noch einige Kilometer vor uns.
Das Navi tut trotz der alten Karte sehr gute Dienste, vor allem in Kombination mit Staumeldungen hat es diesen Tag sehr entspannt werden lassen. Ich beobachte mehrfach, wie es die Route ändert um langen Ferienstaus auszuweichen. Auf der Hälfte des Weges, mitten in Bayern (sehr unheimlich…), navigiert es uns von der Autobahn herunter. Wir landen auf einer gut ausgebauten mehrspurigen Landstraße. Einen Kilometer später aber verwandelt diese sich in eine fast einspure bröckelige, kurvige und hügelige Dorfstraße. Unser Kurztrip durch Bayern ist zunächst sehr, sehr irritierend als wir mehrere kleine Dörfer passieren – offenbart sich dann aber als Überbrückung zur nächsten Autobahn, die staufrei gen Süden führt. Weiter gehts, während es jetzt auch auf den Autobahnen hügeliger und kurvenreicher wird.
In Regensburg dann erhascht mein Mitfahrer einen Blick auf das goldene Logo unserer favorisierten FastFood-Kette, deren Restaurants sogar im Navi eingetragen sind. Zuverlässig führt es uns nach ein paar Ausfahrtsverwirrungen über eine arg steile Einfahrt zu dem direkt, aber einige Meter höher gelegenen Restaurant, unter dessen großer Leuchtreklame auch eine LPG-Tankstelle in direkter Nähe angepriesen wird. Wir essen, lassen die Tabletts liegen (was sich als lokale Mentalität herausgestellt hat), umkreisen das Restaurant um dieses über die ebenso arg steile Ausfahrt zu verlassen und die Autogas-Tankstelle anzusteuern, welche direkt daneben steht und uns nach dem Tanken erneut zwingen wird, die steile Ausfahrt des FastFood-Restaurants zu befahren, weil diese zusammengeführt wurden. Was diesen Tankvorgang wiederrum sehr interessant gestaltete war, dass die Autogas-Tankstelle wirklich nur ein LPG-Tank mit Kartenzahlungsautomatik war – betrieben von einem Erotik-Shop! Der Betreiber musste nach alternativen Erwerbsquellen ausschau gehalten haben – wie er dabei auf die Idee kam, sich eine LPG-Tankstelle auf den Hof zu stellen ist jedoch weiter unklar. Sehr interessant war auch anzusehen, wie immer wieder Leute auf dem Parkplatz des Restaurants parkten und dann flott in den Erotik-Markt hüpften. Diese Dinge konnten wir beim Drücken des Knopfes und Halten des Zapfhahns (endlich wieder mit Standardgewinde, trotz des fremden Staates Bayern in dem wir uns befanden) genüsslich beobachten. Auch eine Woche später sorgte der Tankvorgang noch für Spaß: Ein 30 € Posten bei einem Erotik-Shop in Regensburg tauchte in meiner Banking-Software auf.
Weiter mit Panik vor der Grenze: Man braucht eine Vignette – und die Hinweise „Letzte Möglichkeit vor der Grenze eine Vignette zu kaufen“ verunsichern. Die werden uns an der gut ausgebauten Grenzanlage (Mit GoogleMaps schon angesehen vorher) anhalten und wir müssen doppelt so viel bezahlen. Oder wer weiß was. Ich stürme also in eine Tankstelle wo mir der Verkäufer eine Vignette für 10 Tage ausstellt – eine Studentenversion oder Kombi-Spar mit Happy-Weekend gibt es leider nicht – und mir versichert, dass wir damit überall in Österreich herumfahren dürfen. Was sich noch als falsch herausstellen wird.
Mit Radarkontrollierten 60 km/h passieren wir die Grenze ins Ungewisse. Ungewohnte Notationen, unübersichtlicher Verkehr und maximale 130 km/h machen mir zu schaffen. Als Krönung stellt sich der geniale Radiosender Ö3 heraus. Ö! Ich als Stenkelfeld-Fan habe meinen Spaß. Hitradio Ö. Und die Werbung erst…vom Dialekt bis zur Musik. Ich habe recht schnell den Eindruck, dass Österreich 10 Jahre zurückhängt, wir bekommen viele 90ger zu hören. In den zahlreichen und langen Tunnels müssen wir jedesmal die Frequenz von Ö3 anpassen, da diese sich nach jedem Berg laufend ändert – und in den Tunnels auch nur bestimmte Frequenzen extra verstärkt werden, sodass man weiterhören kann (was uns zunächst ein Rätsel war). Seltsam sind auch die Kamera ähnlichen Sensoren regelmäßig über der Autobahn, die sich später als Mautsystem entpuppen, aber zunächst den Eindruck von Überwachung erwecken. Entgegen der Aussage des Vignettenverkäufers mussten wir für zwei besonders lange Tunnel nochmal Maut bezahlen, hatten also noch weitere Kosten.
Verbunden mit hügeligen Straßen, auch bei Grün blinkenden Ampeln, seltsamen stadtweit geregelten Geschwindigkeitsregelungen und einem Bergmarsch kommen wir dann endlich an. Sogar gut 1-2 Stunden eher als geplant. Deshalb hat uns auch noch niemand erwartet, wir mussten warten.
Im Nachhinein möchte ich so schnell nicht wieder nach Österreich. Aber 1000km Fahrt sind machbar und mit tollen Mitfahrern und entsprechender Vorbereitung sehr amüsant.